(Selbst-)Führung und Kommunikation (Change-Brief Nr. 64)

Wirksames Feedback geben – und die logischen Ebenen des Lernens

Stimmen Sie auch im Kern den beiden folgenden Aussagen zu?

  • Nur wer sich selbst führen kann, führt auch andere.
  • Führung erfolgt durch wirksame Kommunikation.

Das Konzept der logischen Ebenen birgt eine ganze Menge Möglichkeiten und pragmatische Anwendungen für beide Aussagen. Deshalb beschäftigen wir uns im folgenden Beitrag damit etwas ausführlicher vor dem Hintergrund der so wichtigen Selbstführungskompetenz und der Führung durch wirksames Feedback.

Die logischen Ebenen des Lernens – und der Veränderung – wurden im letzten Jahrhundert von Gregory Bateson basierend auf Erkenntnissen von Bertrand Russell aus den Bereichen der Logik und der Mathematik abgeleitet. Bateson unterschied vier Ebenen des Lernens, wobei jede Ebene Elemente der darunter liegenden umfasst und organisiert. Je höher man in den Ebenen kommt, desto größer ist die Wirkung auf das System in diesem hierarchisch strukturierten Modell. Bateson hatte als einer der Ersten kybernetisches Denken auf die menschliche Kommunikation und Interaktion übertragen, um daraus generalisierte Ableitungen auf das Verhalten und die Charakteristika von Individuen, Gruppen oder Familien vornehmen zu können (Quelle:  Bateson, G.: “steps to an ecology of mind.”, Ballantine Books New York, 1972; Deutsch: Die Ökologie des Geistes, Frankfurt/M, Suhrkamp, 1994.). Dies war seinerzeit eine der Grundlagen für systemische Therapieformen, die u.a. von Virginia Satir mit hoher Intensität für die systemische Familientherapie weiterentwickelt worden sind.

Von dieser Basis hat Robert Dilts das Modell der (neuro-)logischen Ebenen abgeleitet (siehe Abb. 1), um im Coachingkontext im Veränderungsprozess besser zu verstehen, auf welchen Ebenen der Persönlichkeit Prozesse anzustoßen oder Interventionen durchzuführen sind. Diese sind ebenso wie die Lernebenen von Bateson hierarchisch gegliedert und sowohl für Gruppen als auch für Individuen typisch.

Für seine Arbeit und sein Lebenswerk wurde Robert Dilts 2015 der Life Achievement Award der Deutschen Weiterbildungsbranche anlässlich der Petersberger Trainertage verliehen (Quelle:  managerSeminare: “Zukunftskompetenz Neugier – Wieso? Weshalb? Warum?, managerSeminare, Heft 204, März 2015).
 

Das Prinzip der (neuro-) logischen Ebenen

Das Prinzip der hierarchisch aufgebauten Kultur- oder Persönlichkeitsebenen ist elementar für jede Art von Veränderungsarbeit, um die es sich bei Führung und Changemanagement und bei unserem eigenen Wirken in Changeprozessen naturgemäß handelt, weshalb wir im Folgenden noch einmal detaillierter darauf eingehen.

Dilts zeigt die Organisation der „inneren Erlebenswelt“ eines Menschen oder von Gruppen von der untersten, äußersten Ebene der Umwelt oder Umgebung bis in den obersten, innersten Sinnkern schematisch auf. Wie in Abb. 1 beschrieben ist die äußerste, flexibelste Ebene die Umwelt, gefolgt von Verhalten, den lernbaren Fähigkeiten und erschließbaren Ressourcen, der zentralen und tiefen Ebene der relativ stabilen Überzeugungen, Antreiber, Glaubenssätze und Werte, gefolgt vom inneren Kern der eigenen Identität und schließlich der höchsten Ebene von Sinn, Glaube und Zugehörigkeit (das eigene Ich als Teil eines großen Ganzen).

Abbildung 1: Das Konzept der hierarchischen logischen Ebenen (nach G. Bateson und R. Dilts), NextHealth

Die Bewusstseinsgrenze verläuft zumeist innerhalb der Fähigkeitenebene, der wir uns zum Teil bewusst sind, zum Teil aber auch nicht. Durch Coaching und Reflexion kann man sich die höheren Ebenen mit Werten, Glaubenssätzen, Identität, Sinn etc. Zug um Zug erschließen. Wir sprechen gerne davon, dass man damit Zugang zum „inneren Betriebssystem“ erhält, was uns erlaubt, Entscheidungen und Reaktionen viel bewusster auswählen zu können und nicht mehr so reflexartig zu agieren. Die Anzahl der Wahlmöglichkeiten und die eigene Flexibilität steigen und damit auch die Chance, in gegebenen Situationen bewusst die Aktion auszuwählen, die am ehesten geeignet ist, die eigenen Ziele zu erreichen. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Business-Retreat-Seminars, das wir zweimal im Jahr mit maximal 10 Leistungsträgern in Himmelpfort bei Berlin durchführen (Quelle: Klinik Markt inside, Drauschke,  Kolumne Führen im Wandel: „Gönnen Sie sich mindestens einmal im Jahr eine Auszeit mit sich selbst!“, Januar 2016, Seiten 10-12)

Arbeiten mit dem Modell der logischen Ebenen

Die eigene Mission mit dem entsprechenden Rollenverständnis sowie die Werte und Überzeugungen in Verbindung mit dazu passenden Zielen sind die wesentlichen Motive, die Wachstum, Veränderung und Entwicklung fördern und dazu verhelfen, die eigene, bequeme Komfortzone des Gewohnten zu verlassen. Dabei zählt vor allem Folgendes: Ich habe etwas, was ich loswerden will – oder ich habe etwas nicht, das ich haben will, und das bringt mich ins Handeln.

Wie oben beschrieben nimmt man die Umgebung noch ausschnittsweise bewusst war, ebenso was man tut (Verhalten). Doch schon die eigenen Fähigkeiten sind nur so weit bewusst, wie wir sie kennen und sie in der Vergangenheit ausprobiert haben. Manche Talente schlummern in uns, die wir bisher noch nicht erkannt haben. Die darüber liegenden Ebenen (Werte/Überzeugungen, Identität und Sinn) sind in der Regel ebenfalls unbewusst, doch wirken sie maßgeblich an der Ausprägung der Ebenen darunter. Häufig ist es eine Diskrepanz zwischen dem unbewussten Kern der Werte und Überzeugungen, die das tatsächliche Tun und auch unsere Wahrnehmungen wesentlich steuern bzw. filtern, und den vordergründig verstandesgemäß gesetzten Zielen erkennbar. Letztere tragen dazu bei, diese Ziele möglicherweise niemals zu erreichen und so Quelle ständiger Unzufriedenheit  zu werden. Hier setzt Coaching an, um Licht ins Dunkel zu bringen und durch Reflexion und Introspektion – wichtige Elemente der Individualkompetenz von Führungskräften – sich dieses „Inneren Inventars“ bewusst zu werden und die Ziele so oder so damit in Einklang zu bringen. Wenn das Tun (Verhalten), das Können (Fähigkeiten), die Bedeutung (Werte) und das Wollen (Überzeugungen) sowie die Haltung (Identität) innerhalb und zwischen diesen Ebenen harmonisch im Einklang stehen, ist fast immer große Motivation die Folge und Stimmigkeit im Denken und Handeln.

Feedback geben, ohne zu urteilen

Eine weitere wesentliche Anwendung der logischen Ebenen im Führungsalltag ist die Abgrenzung von Feedback und Urteil. Die Feedbackgrenze ist dabei ganz klar zwischen den Ebenen „Verhalten“ und „Können“ gezogen (Abb.2). Nahezu jede Aussage oberhalb dieser Grenze ist eher ein Urteil und wenig dazu geeignet, in einem guten Miteinander die Dinge zum Besseren zu wenden, während sich Feedback immer auf beobachtbares Verhalten mit seinen Resultaten bezieht und einen Wunsch nach Veränderung von Verhalten und Resultaten beinhaltet.

Stellen Sie sich vor, Ihr Chef würde folgendes zu Ihnen sagen:

  • Ihr Schreibtisch ist nicht aufgeräumt. – oder
  • Sie haben Ihren Schreibtisch nicht aufgeräumt. – oder
  • Sie können Ihren Schreibtisch wohl nicht aufräumen. – oder
  • Sie sind offenbar nicht daran interessiert, Ihren Schreibtisch aufzuräumen. – oder
  • Sie sind unordentlich, so wie Ihr Schreibtisch aussieht!

Der Inhalt ist eigentlich überall ähnlich, offenbar ist Ihr Schreibtisch in der Wahrnehmung des Vorgesetzten nicht ordentlich genug. Bemerken Sie die unterschiedliche Wirksamkeit bei Ihnen als Kritiknehmer? Von Zeile zu Zeile ändert sich der Bezug der Aussage des Kritikers von Umgebung zu Verhalten zu Fähigkeiten zu Werten bis zur Identität. Welche der Aussagen würde Sie am ehesten mit einem einigermaßen guten Gefühl freiwillig ans Aufräumen bringen?

Doch für ein wirksames Feedback braucht es mehr als eine kritische Aussage. Feedback ist an sich immer eine Einladung zum Lernen und ein Angebot zum Dialog. Etwas soll dadurch besser werden oder bessere Ergebnisse sollen möglich werden, anstatt durch negative Bewertungen Sand ins Beziehungsgetriebe zu streuen. Es geht um das „Rückfüttern“ von aufgenommenen Informationen auf der Basis von eigenen, persönlichen Wahrnehmungen anstelle von Interpretationen und Bewertungen in Form von Urteilen „von oben“.

Abbildung 2: Logische Ebenen mit Feedbackgrenze, NextHealth   

Ein gutes Feedback beginnt daher immer mit einer Beschreibung des Zustandes (Wahrnehmung/Umgebung), ggf. ergänzt mit der damit verbundenen Bedeutung in der Welt des Feedbackgebers. Feedback enthält immer eine handlungsbezogene Bitte, die auf der Verhaltensebene klärt, was der Feedbacknehmer zukünftig anders/mehr/weniger/nicht mehr tun möge. Man kann dann am Schluss der Feedbackaussage noch nachfragen, ob der Feedbacknehmer das auch richtig verstanden hätte.

In unserem Fall könnte das dann so lauten:

Ihr Schreibtisch ist nicht aufgeräumt. Viele Menschen verbinden damit die Annahme, dass auch der Arbeitsstil unkoordiniert wäre, außerdem sehen auch externe Besucher wegen der Glaswände die Schreibtische der Mitarbeiter. Ich bitte Sie darum, bis heute Abend Ordnung zu schaffen und die Unterlagen/Akten entsprechend abzulegen und in die dafür vorgesehenen Schränke zu räumen. Ist das für Sie so machbar?

Wenn Sie wie bei den oben beispielhaften benannten kritischen Aussagen die Verhaltensebene verlassen und die Fähigkeiten/Werte/Identitätsebene kritisch ansprechen, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie unnötigen Widerstand beim Gegenüber erzeugen, so wie Sie ihn möglicherweise selbst beim Lesen der Aussagen verspürten, wenn Sie sie auf sich selbst bezogen haben. Außerdem – so empfinden wir das – haben die Aussagen oberhalb der Verhaltensebene etwas halluzinatorisches. Denn ob der andere nicht aufräumen kann oder nicht möchte, oder ob es ihm wichtig ist oder nicht oder er vielleicht tatsächlich von seinem Wesen her unordentlich ist, können Sie als Beobachter nicht wirklich wissen, sondern höchstens vermuten. Vielleicht gibt es ja ganz andere Gründe, weshalb der Schreibtisch nicht aufgeräumt war. Sie wissen nicht, ob zu Hause gerade der Ehepartner oder das Kind schwer krank sind oder andere drängende Probleme aufgetreten sind. Außerdem ist das alles auch nicht wirklich wichtig, so lange Sie Ihr Gegenüber ins zielgerichtete Handeln bringen, was in diesem Fall „Aufräumen“ bedeutet. Wenn das verhaltensbezogene Feedback nach dem einen oder anderen Versuch keine Wirkung zeigt, dann sind meist andere Faktoren im Spiel und Feedback allein hilft dann nicht mehr weiter.

Wenn das, was Sie tun, nicht zum Erfolg führt, dann probieren Sie so lange etwas anderes, bis Sie das gewünschte Ergebnis erreichen. Möglicherweise ist auch ein Machtspiel oder eine ernste Beziehungsstörung virulent oder Ihr Mitarbeiter kann oder will tatsächlich nicht. Hier hilft dann nur noch die klare Ansage als Forderung oder das wohlgemeinte Angebot, mit Ihrer Hilfe einen anderen, besser geeigneten Arbeitsplatz in diesem oder einem anderen Unternehmen einzunehmen.

Wenn es um Veränderung im Großen wie im Kleinen bei einzelnen Individuen oder in Gruppen oder im ganzen Unternehmen geht, ist es hilfreich, sich des Konzeptes der logischen Ebenen zu bedienen und sowohl Klärungs- als auch Führungs- und Veränderungsprozesse unter Berücksichtigung dieses Modells systematisch anzugehen. Auch darin besteht nach unserer Meinung ein wesentlicher Aspekt von wirksamer Führung, sei es im Change oder auch im normalen Führungsalltag.

Pia Drauschke und Stefan Drauschke

Quelle: Klinik Wissen Managen 01/2017, Seiten 34-36

Der Beitrag basiert als gekürzte Fassung auf dem Kapitel „Logische Ebenen des Lernens und der Veränderung“ (Seite 90-102) aus dem Buch Drauschke, Drauschke, Albrecht, „Changemanagement und Führung im Gesundheitswesen – Über das Management von Veränderungsprozessen und die Führung von Menschen“, medhochzwei Verlag, 2016.