Prinzipien Changemanagement

Der NextHealth Change-Brief Nr. 33

Die wichtigsten Prinzipien eines wirksamen Change-Managements
 

Change-Management bedeutet, Veränderungsprozesse auf Unternehmens- und persönlicher Ebene zu planen, zu initiieren, zu realisieren, zu reflektieren und schließlich zu stabilisieren. Dabei spielen auch Verhaltensmuster, Emotionen und persönliche Einstellungen der Beteiligten eine große Rolle, es „menschelt“  also sehr. Vorausgesetzt, dass man grundsätzlich Menschen führt und Systeme managed, hat man es beim Change-Management immer auch mit Führung zu tun. Da auch während der alltäglichen Führung in der Regel Ziele zu erreichen sind, die ein Delta zum Ist-Zustand aufzeigen, sind die Prinzipien von Führung im Change-Prozess nicht wesentlich andere als die der Führung im Allgemeinen. Der Fokus dieser Kolumne liegt dabei auf dem übergeordneten Change- Management- Prozess unter Berücksichtigung wichtiger Aspekte von Führung im Change-Kontext. In den folgenden Ausgaben unserer Kolumne werden wir noch einmal detaillierter auf die zu Grunde liegenden systemisch- kontruktivistischen Denkmodelle eingehen.

Wer nach den folgenden sieben Prinzipien Führung- und Veränderungsarbeit verrichtet, hat es nach unserer Einschätzung leichter, die gesteckten Ziele mit seinen Mitarbeitern zu erreichen:

1. Dringlichkeit empfinden und kommunizieren

Gewohnheiten und eingefahrene Rituale sind wichtige Verhaltensmuster, die grundsätzlich sinnvoll sind, weil sie oft helfen Energie und Zeit zu sparen. Man spricht gerne von der Komfortzone, in der Menschen verweilen, in der sie sich sicher und kompetent fühlen. Wenn Veränderungen anstehen, spürt jeder, dass diese Zone zu verlassen ist. Neues ist für viele angstbehaftet und verlockend zugleich. Zwei wesentliche Motivationen sich zu bewegen ist etwas bekommen zu können, was man nicht hat oder etwas loszuwerden, das man nicht haben möchte. Nur dann, wenn sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter die Dringlichkeit von Veränderung empfinden, werden sie auch genug Energie dafür aufbringen. Ansonsten ist der Widerstand gegen den Wandel, das Festhalten an alten Mustern, die Angst, alte Gewissheiten und liebgewordene Gewohnheiten verlernen zu müssen, einfach zu groß.

2. Eine starke Veränderungskoalition schaffen

Größere Veränderungen werden nur möglich, wenn eine entscheidende Führungsgruppe gemeinsam und konsequent an einem Strang in dieselbe Richtung zieht. Nur dann kann das Führungsteam andere überzeugen und adäquat mit den unweigerlich auftretenden Widerständen umgehen. Es hat sich daher bewährt, in einer Vorphase des Change-Prozesses im kleinen Führungskreis die angestrebte Veränderung mit allen Konsequenzen – auch dem zu erwartenden Gegenwind – im Rahmen eines Teamcoachings vorweg zu nehmen. Dabei ist zu klären, wie weit man tatsächlich gemeinsam kommen will und kann. Stellen sich dabei zu große Meinungs- oder Werteverschiedenheiten heraus, ist es manchmal besser, den Prozess gar  nicht erst zu beginnen – oder kritisch das Führungsteam als solches zu hinterfragen oder die Veränderungsschritte klein zu halten. Bei dieser Gelegenheit kann das „Change-Team“ auch auf die zu erwartenden typischen Phasen der Veränderung mit den damit verbundenen teilweise sehr intensiven Emotionen vorbereitet werden. Nach dem Modell der US-amerikanischen Psychiaterin E. Kübler-Ross, das von R.B. Lacoursiere zu den „vier Phasen der Veränderung“ adaptiert wurde, folgt der Orientierung und Verwirrung (1) zu Beginn der Veränderung die Frustration mit viel Widerstand (2), um nach dem „Tal der Tränen“ – der Entscheidungs- und Beschlussphase (3) – endlich der vierten, produktiven Phase mit Zuversicht, Freude und dem Enthusiasmus (4) Raum zu geben. Generell ist es für wirksame Veränderungen durch diese Phasen hindurch wichtig, die Unterstützung der nächsten Ebene zu erhalten. Im Krankenhaus sind dies die Chefärzte, die Pflegeführungsebene sowie die führenden Köpfe der Servicebereiche (aus Praktikabilitätsgründen schließt die männliche die weibliche Form ein). Es ist das Mittel der Wahl, klare und ehrliche Angebote seitens der obersten Führungsebene zu unterbreiten, sich an dem Veränderungsprozess mit seinen Zielen und Maßnahmen aktiv und gestaltend zu beteiligen. Wenn die Menschen im Unternehmen bemerken, dass sie mit ihren Ideen und Einwänden ernst genommen werden, sind sie auch eher bereit für die Veränderungen.

3. Metaziele und Voraussetzungen klären

Es hat sich in unserer Change-Praxis außerordentlich bewährt, noch vor den inhaltlichen Aspekten der Veränderung wie Zielen und Zukunftsvorstellungenzuerst zu klären, welche Vorteile und welcher Nutzen von einer gelungenen Veränderung zu erwarten sind und welche Voraussetzungen für eine wirksame Veränderung für wichtig gehalten werden. Bei diesem Schritt werden sehr viele Informationen über ansonsten stillschweigende Voraussetzungen, geheime Spielregeln und Zustände, die man im Unternehmen haben oder am liebsten loswerden möchte, bekannt. Diese Informationen gilt es sowohl im laufenden Changeprozess als auch nach erfolgtem Change für die anschließende Bewertung der Ergebnisse zu verwenden.

4. Den Strategierahmen und Inhalte festlegen

Menschen entscheiden sich nur für Veränderungen, wenn sie sich diese vorstellen können. Das bedeutet, sie müssen ihnen innerhalb ihres eigenen „Denkrahmens“ angemessen und verständlich vermittelt werden. Das Erarbeiten und Festlegen von vorstellbaren Zielen und Maßnahmen gehört also immer in das erste Drittel eines gelungenen Change-Prozesses. Die so aufwachsende gemeinsame Vorstellung der Zukunft ist ein Konstrukt zukünftiger Realität, das umso eher unterstützt von den Menschen im Unternehmen in die Umsetzung strebt, je mehr diese Menschen auch selbst daran mitgearbeitet haben.

5. Systemisch denken und handeln

Der Mensch ist keine Maschine, wo eine lineare Ursache-Wirkungsbeziehung herstellbar ist. Er ist vielmehr ein komplexes System, ebenso wie eine soziale Gemeinschaft von Menschen beispielsweise in Unternehmen. In systemischen Modellen gelten eher komplexe und nicht-lineare Wirkungszusammenhänge (auch Kybernetik 2. Ordnung genannt), oft sind ebenso komplexe Selbststeuerungsmechanismen vorhanden. Dabei nimmt Kommunikation eine Schlüsselrolle ein: Wenn Sie die Kommunikation im System verändern, dann verändert sich auch das System als solches. In Unternehmen wird häufig zu viel informiert und zu wenig kommuniziert. Führung im Change-Kontext lebt von wirksamer, offener und vor allem dialogischer Kommunikation. Es hat sich weiterhin bewährt, im Change-Prozess neben dem gültigen Organigramm eine schnelle und systemische Change-Struktur aufzubauen, die wir die „vier Schichten für wirksame  Veränderung®“ nennen. Danach ist der innerste Kern, auch Kreis 1 (K1) genannt, die Veränderungskoalition und der zweite Kreis (K2) eine passend besetzte Arbeitsgruppe bestehend aus wandlungsaktiven Mitarbeitern, Experten und konstruktiven Kritikern. Der dritte Kreis (K3) sind berufsgruppenübergreifend die Führungskräfte der Ebenen 1-3, in der zur Mitgestaltung von Zielen und „Zukunftskonstrukten“ eingeladen wird und der vierte Kreis (K4) stellt das ganze System dar, und zwar berufsgruppen- und hierarchieübergreifend. Im K4 werden Zielvorstellungen kommuniziert und gemeinsam an Umsetzungsmaßnahmen gearbeitet.

6. Großgruppenarbeit im Change anwenden

Wenn Sie mit den K-Kreisen interaktiv arbeiten möchten, insbesondere mit K3 und K4, dann stoßen übliche Wo r k s h o p – me t h o d e n schnell an ihre Grenzen. Es gibt eine ganze Reihe von praxiserprobten und inzwischen weltweit verbreiteten Großgruppenformaten, mit denen man mit 40 bis 1000 (!) Teilnehmern produktiv und interaktiv arbeiten kann. Beispiele hierfür sind die Impulskonferenz (Open Space Technology), die Zukunftskonferenz (Future Search), das World-Café und viele andere mehr. Der Vorteil ist, dass sich „das System“ in einem Raum befindet und sehr viel miteinander geschehen kann. Man arbeitet sozusagen am „offenen Nervensystem“ der Organisation. Es geht dabei immer um das Einladen der „kollektiven Intelligenz“, um noch mehr gute Ideen und Lösungen zu generieren, es geht um die Gruppe an sich, denn Entscheidungen, die in einer Gruppe in einem ehrlichen interaktiven und emotionalen Prozess getroffen werden, haben auch für die einzelnen Gruppenmitglieder oft hohe Verbindlichkeit.

7. Glaubenssätze und Überzeugungen verändern

Dem so schwer erklärbaren Begriff „Unternehmenskultur“ hat sich der amerikanische ehemalige MIT-Professor E. Schein in seinem Lebenswerk gewidmet. Für ihn wird der wahrnehmbare Teil der Kultur eines Unternehmens (was sie hören, sehen, fühlen können) von der meist unbewussten Ebenen der Werte (was den Menschen im System Unternehmen wichtig ist) und von den Überzeugungen und Glaubenssätzen (was die Menschen glauben, was für sie wahr ist) gespeist. Im Change-Management geht es immer auch darum, auf dieser tiefen und unbewussten Ebene des „Systems Klinikum“ zu arbeiten. Wenn Menschen im Haus glauben würden, dass das Klinikum auf keinen Fall untergehen kann, egal welche Resultate erwirtschaftet werden, dass es sowieso egal ist, was die „da oben“ sagen und – was immer man tut oder nicht tut – es sowieso keine wirklichen Konsequenzen gibt, dann wird ein aktives Change-Management schwierig werden. Um diese Glaubenssätze wirksam zu verändern ist es wesentlich, dass die Führungskräfte Versprechen machen und auf jeden Fall halten, und zwar fortlaufend. In der Folge wird sich mit der Zeit das Glaubenssystem verändern. Man wird glauben, dass sowieso etwas geschieht, wenn „die da oben“ etwas  ankündigen, dass es Konsequenzen gibt und es sich lohnt, mitzuwirken und mitzugehen.

Und zum Schluss: Wagen Sie ein Experiment

Die aus unserer Praxis der Veränderungsbegleitung wichtigsten Prinzipien sind Ihnen nun bekannt. Wenn Sie überzeugt wären und glauben könnten, dass Sie es in Ihrem Unternehmen zumeist mit Menschen zu tun haben, die selbst dem Bedürfnis nachgehen, sinnerfüllt ihre Arbeit zu verrichten, positive Absichten haben und auch ihren Anteil zum Erfolg des Unternehmens beitragen möchten, dann werden Sie sicher ein erfolgreicherer „Change-Manager“. Und dafür noch ein Tipp für ein kleines (Selbst-) Experiment am Schluss: Selbst dann, wenn Ihre Kollegen und  Mitarbeiter in Ihrer Wahrnehmung anders zu sein scheinen, dann probieren Sie einfach einmal aus – nur für eine gewisse Zeit – anzunehmen, Ihre Mitarbeiter wären im Grunde doch so wie gerade oben beschrieben und verhalten Sie sich selbst entsprechend. Seien Sie gespannt auf die bei diesem „Experiment“ gewonnenen Erkenntnisse!

Dr. Stefan Drauschke, September 2014

Erschienen in der KMi-Kolumne, Klinik Markt inside, September 2014, Ausgabe 18